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Übungsauswahl für effektiven Muskelaufbau

Übungsauswahl für effektiven Muskelaufbau

Keine Lust oder Zeit zum Lesen? Das Thema findet Ihr auch auf unserem Podcast (auch auf Spotify!).

  • Um die Effektivität von Übungen zu bewerten, kann es sich lohnen, sie in Kategorien aufzuteilen, wie z.B. ein- oder mehrgelenkige Übungen oder nach verwendetem Equipment
  • Verschiedene Übungen können verschiedene Teile der Zielmuskulatur treffen
  • Die Übungsauswahl, die Anzahl der verschiedenen Übungen, sowie die Rate mit der sie ausgetauscht werden, hängt vom Fortgeschrittenenstatus ab
  • Ganz grob lässt sich aber sagen, dass etwa 70% der Übungen mehrgelenkig ausfallen sollten und 30% eingelenkig
  • Kriterien zur Bewertung von Übungen:

  • Die Leistungsfähigkeit der Zielmuskulatur sollte bei einer Übung das Limit sein
  • Die Zielmuskulatur sollte mit viel Gewicht sicher trainiert werden können
  • Es sollte möglich sein, die Zielmuskulatur über den vollen Bewegungsradius zu trainieren
  • Es sollte möglich sein, das Gewicht nach und nach steigern zu können

Klassische Grundübungen statt exotischer Spielereien

"Eine einbeinige Kniebeuge auf dem Bosuball mit zur Seite gestreckten Armen und Kurzhanteln in den Händen ist eine super Übung für die Tiefenmuskulatur des Cores! Denn diese Muskulatur wird enorm beansprucht, damit man nicht umfällt."

So oder so ähnlich war die Aussage einer gut ausgebildeten Trainerin vor drei Jahren, während eines Gespräches über effektive Übungen für die Muskulatur der Körpermitte.

Solch eine Akrobatikübung mit rosa Kurzhanteln in den Händen soll also effektiver für die Coremuskulatur sein als eine über den vollen Bewegungsradius hinweg ausgeführte Kniebeuge mit beiden Beinen auf stabilem Untergrund und einer Langhantel auf dem Nacken mit ordentlich Gewicht drauf?

Leser dieses Blogs werden sich schon denken können, wie unsere Antwort auf diese Frage lauten wird. Doch was macht eine wirklich effektive Übung aus? Und nach welchen Kriterien sollte man sich bei der Übungsauswahl richten?

Übungskategorien

Zunächst wollen wir Übungen nach Gemeinsamkeiten sortieren und in gewisse Kategorien einteilen. Dies erlaubt Regeln oder Richtlinien zum Training bestimmter Muskeln aufzustellen, welche auf mehrere Übungen gleichzeitig angewendet werden können. Ganz grob können die Übungen im Krafttraining in zwei Kategorien aufteilen:

  • Eingelenkige Übungen, z.B. Bizepscurls
  • Mehrgelenkige Übungen, zum Beispiel Kniebeugen

Alternativ können wir sie auch nach dem benutzten Equipment kategorisieren:

  • Körpergewichtsübungen, z.B. Liegestütze
  • Langhantelübungen, z.B. Kreuzheben
  • Kurzhantelübungen, z.B. Fliegende
  • Kabelzugübungen, z.B. Trizepsdrücken
  • Maschinenübungen, z.B. die Beinpresse

Was bei allen Übungen beachtet werden sollte, ist die perfekte Technik bei der Ausführung. Dazu gehört, dass nicht geschwungen wird und die Muskeln über den vollen Bewegungsradius trainiert werden.

Die exzentrische Bewegung soll kontrolliert und die konzentrische Bewegung explosiv ausgeführt wird. Der Muskel arbeitet exzentrisch, wenn er sich in die Länge zieht – das Gewicht z.B. beim Bizepscurl also herabgelassen wird. Wird der Muskel danach wieder nach oben geführt, so spricht man von der konzentrischen Bewegung.

Kriterien zur Bewertung der Effektivität von Übungen

Welche Übungen sind jetzt also gut und welche nicht so gut? Um diese Frage zu beantworten, brauchen wir erst einmal Kriterien für die Effektivität gewisser Übungen oder Übungskategorien. Die Effektivität ist hoch, wenn viele Muskelfasern der Zielmuskulatur maximal stimuliert werden. Wann ist das der Fall? Dafür gibt es vier Kriterien:

  1. Die Leistungsfähigkeit der Zielmuskulatur sollte bei einer Übung das Limit sein.

    Angenommen beim Kreuzheben mit der Langhantel ohne Zughilfen und ohne Kreuzgriff muss der Satz beendet werden, weil der Griff nachlässt. Die Stärke des Griffs wird durch die Unterarmmuskulatur bestimmt. In diesem Fall war sie also der limitierende Faktor.

    Das bedeutet, dass die Zielmuskeln der Übung – im Falle des Kreuzhebens also das Gesäß, die Oberschenkelrückseite oder der untere Rücken – nicht ans Limit gebracht wurden. Damit ist das Kreuzheben ohne Zughilfen und ohne Kreuzgriff in dieser Situation keine effektive Übungen um die Zielmuskulatur zu treffen.

  2. Die Zielmuskulatur sollte mit viel Gewicht sicher trainiert werden können.

    Das extreme Negativbeispiel ist hier der oben vorgestellte Fall der einbeinigen Kniebeuge auf dem Bosuball. Betrachten wir nur diese Kriterium, dann würden Langhantel- und Maschinenübungen definitiv den Kurzhantel- und Kabelzugübungen Vorzugiehen sein.

    Beim Bankdrücken mit der Langhantel kann beispielsweise viel mehr Gewicht (sicher) bewegt werden als beim Bankdrücken mit Kurzhanteln.

    Das liegt unter anderem daran, dass die Langhantel weniger stabilisiert werden muss. Die Langhantel kann sich nach oben und nach unten, nach vorne und nach hinten, sowie nach links und nach rechts bewegen.

    Die Kurzhanteln können das alles auch. Aber sie können das unabhängig voneinander und das auch noch in verschiedene Richtungen. Dazu können sie sich auch noch nach innen und außen bewegen.

    Das Gewicht trotzdem sicher bewegen zu können, erfordert Kraft und Fokus, sodass insgesamt wesentlich weniger Gewicht genommen werden kann.

  3. Es sollte möglich sein, die Zielmuskulatur über den vollen Bewegungsradius zu trainieren.

    Dass das Training über den volle Bewegungsradius wichtig ist, sollte mittlerweile vermutlich jedem klar sein. Bei vielen Übungen ist es aber auch bei perfekter Ausführung unmöglich, die Zielmuskulatur über ihren gesamten möglichen Bewegungsradius zu beanspruchen.

    Würden wir nur dieses Kriterium betrachten, wären Übungen mit den Kurzhanteln und am Kabelzug den meisten Langhantelübungen überlegen.

    Beim Bankdrücken mit der Langhantel z.B. kann zwar viel Gewicht bewegt werden, jedoch nicht über den vollen Bewegungsradius. Die Tiefe der untersten Position ist nämlich durch den Brustkorb limitiert.

    Eigentlich könnte die Brustmuskulatur das Gewicht aber noch weiter nach unten führen. Dies ist eben bei der Kurzhantelvariante möglich. Da können die Hanteln so tief geführt werden, dass die Brustmuskulatur unter maximalem Stretch steht.

    Übungen wie die Fliegenden am Kabelzug haben typischerweise einen recht konstanten Widerstand über den gesamten Bewegungsradius. Werden die Fliegenden hingegen mit den Kurzhanteln ausgeführt, so ist der Widerstand in der obersten Position nur noch sehr gering.

    Das heißt jetzt aber nicht, dass Übungen mit konstanter Widerstandskurve denen mit nicht konstanter Widerstandskurve immer überlegen sind. Beide können (und sollten) wirkungsvoll in einem Trainingsplan integriert werden.

  4. Es sollte möglich sein, das Gewicht nach und nach steigern zu können.

    Dies ist ein ganz großer Nachteil der Übungen mit dem eigenen Körpergewicht. Zwar ist es möglich sich etwa eine Gewichtsweste für die Liegestütze anzuziehen. Aber es ist in der Praxis ziemlich unrealistisch, das Gewicht nach und nach steigen zu lassen.

    Selbst wenn man eine Gewichtsweste bastelt, die man stückweise mit mehr Gewicht ausstatten kann, dann ist das maximale Gewicht dennoch relativ gering. Es hat noch nie jemand geschafft bei den Liegestützen mit Gewichtsweste auch nur annähernd so viel Gewicht zu bewegen, wie beim Bankdrücken.

Übungen zu finden, die alle Kriterien erfüllen, ist ziemlich schwierig, da jede Übung Vor- und Nachteile hat. Beispielsweise erlauben viele Kurzhantel- und Kabelzugübungen eine Beanspruchung der Zielmuskulatur über den vollen Bewegungsradius. Dafür kann nur weniger Gewicht verwendet werden.

Vielfalt bei der Übungsauswahl um alle Muskelfasern zu stimulieren

Dazu kommt, dass viele Übungen nur einen Teil der Zielmuskulatur trainieren. Beim Schrägbankdrücken beispielsweise wird der obere Teil der Brustmuskulatur mehr trainiert als der untere.

Bei Trizepsübungen, welche über dem Kopf ausgeführt werden, liegt der Fokus auf dem langen Kopf des Trizeps. Trizepsübungen mit dem Oberarm am Rumpf hingegen, treffen den unteren Kopf mehr. Hier gibt es noch viele weitere Beispiele.

Deswegen müssen verschiedene Übungen für die Zielmuskulatur ausgeführt werden, um alle Muskelfasern maximal zu stimulieren.

Ein weiterer Grund verschiedene Übungen auszuführen ist, dass so auch Verletzungen vorgebeugt werden, da nicht immerzu dieselben Gelenkstrukturen belastet werden.

Und noch ein Grund, den man nicht vergessen darf ist, dass das Training viel interessanter ist, wenn unterschiedliche Übungen ausgeführt und regelmäßig gewechselt werden.

Das ist gut für die Psyche, motiviert und steigert somit die Ergebnisse. Zudem mindert es die Gefahr, dass man das Training phasenweise schleifen lässt oder sogar ganz das Fitnessstudio gegen die heimische Couch eintauscht.

Das heißt natürlich nicht, dass innerhalb einer Trainingseinheit oder auch nur innerhalb eines Trainingszyklus eine maximale Zahl an Übungen ausgeführt werden sollten. Das würde bedeuten, dass pro Trainingseinheit 20 Übungen mit jeweils nur einem Satz absolviert werden. Dies ist auf keinen Fall zu empfehlen!

Zum einen müsste man sich für immer nur einen Satz aufwärmen. Das ist gerade bei Fortgeschrittenen, die sich länger und intensiver aufwärmen müssen als Anfänger, sehr zeitaufwändig und ermüdend.

Es ist keine Seltenheit, dass ein Profi vor dem Kreuzheben 5-6 Aufwärmsätze macht um sich auf das Gewicht des ersten Arbeitssatzes aufzuwärmen. Würde danach nur ein Arbeitssatz folgen, hätte er wesentlich mehr Zeit für das Aufwärmen aufgebracht als für das was ihn wirklich weiterbringt.

Weiterhin anderen haben viele Studien gezeigt, dass alleine der "Neuheitseffekt" einer Übung zu Muskelaufbau führen kann. Wenn jetzt ständig alle erdenklichen Übungen ausgeführt werden, dann könnte dem Körper in späteren Trainingszyklen nicht mehr mit neuen Übungen überrascht werden.

Zyklisches Anpassen der Übungsauswahl für optimalen Muskelaufbau

Eine bessere Strategie ist es, sich auf einige wenige Übungen pro Muskelgruppe pro Trainingszyklus zu konzentrieren und einige dieser Übungen zum nächsten Zyklus auszutauschen.

Über mehrere Trainingszyklen hinweg können so alle Muskelfasern maximal stimuliert werden. Gleichzeitig wird Verletzungen vorgebeugt und das Training wird nie langweilig.

Wie könnte das ganze jetzt konkret aussehen? Im folgenden Beispiel wird eine mögliche Übungsauswahl für die Oberschenkelvorderseite im Laufe von drei Trainingszyklen dargestellt:

Trainingszyklus 1

Tag 1: Kniebeugen + Beinpresse

Tag 2: Kniebeugen + Beinstrecken

Trainingszyklus 2

Tag 1: Kniebeugen + Beinpresse

Tag 2: Kniebeugen + Kniebeugen an der Multipresse mit Füßen ganz weit vorne

Trainingszyklus 3

Tag 1: Frontkniebeugen + Beinpresse

Tag 2: Frontkniebeugen + Kniebeugen an der Multipresse mit den Füßen ganz weit vorne

Wie im Beispiel zu sehen, sollten immer einige Übungen beibehalten werden. Am Anfang einer neuen (anspruchsvollen) Übung wird wertvolle Trainingszeit mit dem Erlernen der Bewegung verbracht.

Erst nach mehreren Einheiten kann der Körper die Muskelfasern mit voller Effizienz ansteuern. Dies ist selbst dann der Fall, wenn diese Übung in früheren Trainingszyklen schon ausgeführt wurde.

Unterschiede bei der Übungsauswahl zwischen Anfängern und Fortgeschrittenen

Ein wichtiger Faktor beim Thema Übungsauswahl ist der Fortgeschrittenenstatus. Davon hängt nämlich stark ab wie viele unterschiedliche Übungen pro Trainingswoche ausgeführt werden sollten und wie viele von Zyklus zu Zyklus ausgetauscht werden sollten.

Des Weiteren sollten sich Anfänger generell mehr auf die großen, mehrgelenkigen Übungen konzentrieren. Das liegt u.a. daran, dass diese sehr effizient sind, da sie viele Muskeln auf einmal stimulieren.

Als Anfänger reicht schon ein vergleichsweise geringer Trainingsreiz aus, sodass die vielen kleinen Muskeln, die bei den großen Grundübungen mit trainiert werden, eine ausreichend starken Trainingsreiz erfahren.

Bei Fortgeschrittenen, ist dies nicht der Fall, sodass sie zusätzlich mit eingelenkigen Isolationsübungen sicher stellen müssen, dass alle Muskeln gleichmäßig trainiert werden. Zudem, ist es sehr wichtig, dass ein Anfänger überhaupt erst eimal eine gute Technik bei den Grundübungen erlernt, sodass er möglichst viel Zeit mit diesen verbringen sollte.

Weiterhin können mit Isolationsübungen gezielt Schwachstellen ausgeglichen werden. In der Regel stellt sich aber erst nach einigen Jahren wirklich heraus, welche Muskeln im eigenen Körper gut und welche weniger gut auf ein ausgeglichenes Anfängertraining reagiert haben.

Das ist vergleichbar mit dem Hauen einer Statue aus Stein: zuerst wird der Bildhauer die groben Proportionen herausarbeiten, sodass etwas einigermaßen menschenähnliches entsteht. Und dann kümmert er sich erst um die Details, wie die genaue Form der Nase oder der Augen in all ihrer Feinheit.

Anfänger sollten ihre Übungsauswahl entsprechend sehr einschränken und sich auf die großen Übungen konzentrieren. Häufig reichen 1-2 Übungen pro Muskelgruppe pro Trainingszyklus, die dann auch nur relativ selten ausgetauscht werden.

So stimuliert der Anfänger alle Muskelfasern ausreichend und hat genug Zeit um sich eine perfekte Technik bei den ausgeführten Übungen anzueignen.

Je fortgeschrittener man ist, desto größer sollte die Vielfalt bei der Übungsauswahl ausfallen, um alle Muskelfasern maximal zu stimulieren. Fortgeschrittene können sich diese häufigen Wechsel leisten, da sie nicht so schnell die Technik der Übungen verlernen.

Außerdem sollten mehr eingelenkige Übungen eingeführt werden. Muskeln wie z.B. die Arme, Waden und die seitliche Schulter benötigen mit zunehmendem Trainingsalter nämlich einen größeren Trainingsreiz als durch die großen mehrgelenkige Übungen, bei denen diese Muskelgruppen lediglich indirekt mit trainiert werden.

Als grobe Richtlinie sollten etwa 70% der Übungen mehrgelenkig und 30% eingelenkig sein. Bei Anfängern sollte das Verhältnis eher 80-90% zu 20-10% sein. Bei sehr fortgeschrittenen hingegen (> 10 Jahre Trainingserfahrung), reichen etwa 50-60% mehrgelenkige Übungen.

Alpha Progression App

Übungstutorials von Alpha Progression:

Eine ausführliche Erklärung sämtlicher Übungen findet Ihr in der Alpha Progression App.

Fazit

Um die Effektivität von Übungen zu bewerten, kann man diese in Kategorien einteilen, wie z.B. ein- oder mehrgelenkige Übungen oder nach verwendetem Equipment.

Des Weiteren sollten einige Kriterien erfüllt werden:

  1. Die Leistungsfähigkeit der Zielmuskulatur sollte bei einer Übung das Limit sein.
  2. Die Zielmuskulatur sollte mit viel Gewicht sicher trainiert werden können.
  3. Es sollte möglich sein, die Zielmuskulatur über den vollen Bewegungsradius zu trainieren.
  4. Es sollte möglich sein, das Gewicht nach und nach steigern zu können.

Anfänger sollten sich mehr auf mehrgelenkige Übungen fokussieren. Je fortgeschrittener man ist, desto größer sollte die Vielfalt bei der Übungsauswahl ausfallen.

Wenn Ihr Euer Training aufzeichnen, auswerten und optimieren wollt, ladet Euch hier die Alpha Progression App herunter.