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Kniebeugen: Optimale Tiefe und wie du sie erreichst

Kniebeugen: Optimale Tiefe und wie du sie erreichst

Keine Lust oder Zeit zum Lesen? Das Thema findet Ihr auch auf unserem Podcast (auch auf Spotify!).

Heute geht es um 2 Fragen zur Kniebeuge, die sehr häufig gestellt werden.

Die optimale Tiefe

Wie tief sollte ich bei der Kniebeuge gehen?

So tief wie möglich! Es hielt sich ja lange Zeit das Gerücht, dass es gefährlich für die Knie ist, wenn ihr tiefer geht als bis zu dem Punkt, wo eure Oberschenkel parallel zum Boden sind. Das ist aber ein Mythos, was sicherlich mittlerweile auch die meisten von euch wissen.

Warum solltet ihr so tief wie möglich gehen? Wenn ihr nur bis parallel geht, könnt ihr ja mehr Gewicht bewegen. Das ist richtig, aber mehr Gewicht ist nicht immer besser.

Vorteile tiefer Kniebeugen

Beanspruchte Muskulatur

Die Beanspruchung der Zielmuskulatur – also der Oberschenkelvorderseite – ist entweder genau so hoch oder sogar höher, wenn ihr maximal tief geht. Normalerweise wird die Zielmuskulatur stärker beansprucht bei einer höheren Range of Motion.

Vor kurzem wurde aber eine Studie veröffentlicht, die keinen Unterschied in der Beanspruchung der Oberschenkelvorderseite bei tiefen vs. nur parallelen Kniebeugen gezeigt hat. Daher ist die Beanspruchung "entweder" genau so hoch oder sogar höher.

Fest steht aber, dass ihr definitiv euer Gesäß besser beansprucht bei tiefen Kniebeugen. Das ist zwar nicht die Zielmuskulatur dieser Übung, aber warum nicht auch ein gutes Gesäß durch die Kniebeugen aufbauen, wenn das möglich ist?

Belastung des Nervensystems

Zudem ist die Belastung eures Nervensystems geringer, wenn ihr tiefe Kniebeugen macht. Das liegt hauptsächlich daran, dass ihr bei tiefen Kniebeugen weniger Gewicht auf dem Nacken habt und somit die Wirbelsäule bzw. das Rückenmark weniger stark komprimiert wird.

Ein Teil des zentralen Nervensystems liegt im Rückenmark und wird vor allem dann beansprucht, wenn das Rückenmark durch eine hohe Last komprimiert wird. Durch tiefe Kniebeugen mit natürlich weniger Gewicht schont ihr also euer Nervensystem etwas und habt mehr Power in danach folgenden Übungen.

Geringere Verletzungsgefahr

Dazu kommt, dass die Verletzungsgefahr bei tiefen Kniebeugen tendenziell geringer ist. Ihr bewegt weniger Gewicht und somit werden Technikfehler weniger bestraft.

Mal ein extremes Beispiel: Ihr wollt parallele Kniebeugen mit 250 kg machen, legt euch die Stange auf den Nacken, hebt sie raus, geht 2 Schritte nach hinten und stolpert dabei, sodass ihr umkippt. Das könnte etwas schmerzhaft werden mit 250 kg.

Normierte Range of Motion

Ein weiterer Vorteil von tiefen Kniebeugen ist, dass die Range of Motion normiert ist. Wenn ihr so tief geht, dass eure Oberschenkelrückseite die Waden berührt, dann fühlt ihr das. Ihr geht runter und merkt sofort – ganz eindeutig – wann die Abwärtsbewegung beendet ist und es wieder nach oben geht. Da müsst ihr gar nicht groß nachdenken.

Wenn ihr jetzt aber nur bis parallel geht, dann ist es ganz und gar nicht eindeutig, wann die Abwärtsbewegung beendet ist. Ihr geht runter und fragt euch die ganze Zeit "bin ich jetzt schon bei parallel, oder jetzt, oder jetzt?".

Und wenn es ein anstrengender Satz ist, dann trickst euch euer Gehirn aus und vermittelt euch schon das Signal, wieder hochzugehen, obwohl ihr noch längst nicht bis parallel gegangen seid. Dann freut ihr euch erstmal, dass ihr euch augenscheinlich gesteigert habt. Wirklich gesteigert habt ihr euch aber nicht.

Ihr konntet vielleicht bei gleichen Wdh mehr Gewicht bewegen, habt aber auch eine kleinere Range of Motion gehabt, wodurch ihr eure Muskeln sehr wahrscheinlich nicht mehr beansprucht habt als beim letzten Mal. Ihr habt also eine Fake-Progression gemacht.

Das fällt meist erst nach ein paar Wochen auf, wenn euch ein Freund beim Kniebeugen beobachtet und sagt "hm, also vor 4 Wochen bist du noch 20 cm tiefer gegangen.". Das ist dann sehr frustrierend, da ihr das Gewicht wieder stark reduzieren müsst, um die Sätze auch mit ursprünglicher Tiefe schaffen zu können.

Für das Tracken und Auswerten des Trainings ist so eine Fake-Progression natürlich auch eine Katastrophe. Ihr wollt ja wissen, ob ihr mit eurem derzeitigen Plan Fortschritt macht. Ihr ändert den Plan, wenn ihr keinen Fortschritt macht.

Bei einer Fake-Progression macht ihr keinen Fortschritt, obwohl ihr denkt, dass ihr Fortschritt macht und ändert euren Plan nicht, obwohl ihr ihn vielleicht besser ändern solltet.

Ihr seht also, dass ihr enorm viele Vorteile dadurch habt, wenn ihr bei der Kniebeuge maximal tief geht. Wir reden hier natürlich wieder über Training für optimalen Muskelaufbau.

Wenn ihr Powerlifter seid und bei Wettkämpfen nur bis parallel gehen müsst, kann es natürlich durchaus Sinn ergeben, auch im Training öfters oder sogar immer nur bis parallel zu gehen.

Die optimale Tiefe erreichen

Wie schaffe ich es, bei der Kniebeuge tiefer zu gehen?

Nicht jeder ist von der Anatomie her dafür gemacht, bei der Kniebeuge ganz runter zu gehen und dabei den unteren Rücken gerade zu halten. Aber das sind absolute Ausnahmen. Die meisten bekommen das hin!

Das geht aber natürlich nicht von heute auf morgen. Als Kleinkinder haben wir alle ohne Probleme andauernd tiefe Kniebeugen gemacht. Diese Fähigkeit verlernen dann die meisten im Verlauf der Kindheit, da sie nicht geübt wird, und muss dann wieder erlernt werden. Das dauert seine Zeit.

Regelmäßiges Üben

Es gibt sehr viele Mobilitätsübungen, die ihr regelmäßig ausführen könnt, um tiefer zu kommen. Das kann sinnvoll sein. Was jedoch noch viel sinnvoller ist, ist regelmäßig die Kniebeugen auszuführen und jedes Mal zu versuchen, tiefer zu kommen – also gar keinen großen Firlefanz zu betreiben.

Lasst das Gewicht und die Wdh erstmal ein paar Wochen konstant und versucht jede Woche tiefer zu kommen. Wenn ihr dann irgendwann so tief runter kommt, dass eure Oberschenkelrückseite die Waden berührt, dann behaltet ihr die Technik bei und steigert euch nach und nach mit dem Gewicht oder den Wdh.

Gute Technik

Zudem solltet ihr erstmal weit weg vom Muskelversagen trainieren. Lasst auf jeden Fall 3 RIR bei jedem Satz Kniebeugen in den ersten Wochen, bis eure Technik und somit auch die Tiefe gut ist. Der Grund dafür ist, dass die Technik bei den letzten anstrengenden Wdh meist schlecht wird.

Je öfter ihr Wdh mit schlechter Technik ausführt, desto mehr brennt sich diese schlechte Technik auch in euer Gehirn und es wird schwer, diese wieder zu korrigieren. Lasst es also erst gar nicht so weit kommen und geht die Sätze am Anfang locker an. Es wird noch oft genug die Möglichkeit geben, im Berserkermodus den Kniebeugenkampf anzugehen.

Seht das lockere Techniktraining als Investition für zukünftig besseren Muskelaufbau an. Ihr nehmt jetzt am Anfang etwas weniger Muskelaufbau in Kauf, baut dafür in Zukunft wesentlich mehr Muskeln auf – und das auch noch mit geringer Verletzungsgefahr.

Wie eine gute Kniebeugentechnik aussieht, könnt ihr übrigens in der Alpha Progression App nachschauen, wenn ihr "Kniebeugen" in der Übungsdatenbank eingebt.

Dann findet ihr ein Video und auch eine schriftliche Erklärung zur Kniebeugentechnik. Selbstverständlich gibt es nicht nur Videos zur Kniebeuge, sondern auch zu über 450 anderen Übungen.

Trainingsfrequenz

Die Frequenz, mit der ihr die Kniebeugen ausführt, solltet ihr erstmal auf 2x oder sogar 3x pro Woche erhöhen, bis die Technik sitzt. Wenn ihr nur 1x pro Woche beugt, dann habt ihr 7 Tage lang Zeit, die Technik wieder zu verlernen.

Nach einer Woche fangt ihr dann fast wieder bei 0 an. 2-3x pro Woche Beugen ist auch von der Regeneration her absolut kein Problem, da ihr die Sätze ja erstmal relativ locker ausführt.

Achtet auch darauf, viele Aufwärmsätze mit nach und nach steigendem Gewicht zu machen, um nochmal mehr Übung zu bekommen. Wenn ihr also z.B. 4 Arbeitssätze mit 60 kg und 8 Wdh ausführen wollt, dann macht 3 Aufwärmsätze: Einen mit 30 kg und 8 Wdh, einen mit 40 kg und 6 Wdh und einen mit 50 kg und 4 Wdh.

Weitere Tipps

Was noch helfen kann, um tiefer zu kommen, sind Gewichtheberschuhe. Diese sind hinten an den Fersen erhöht und sorgen dafür, dass die bei vielen fehlende Fußgelenksmobilität nicht die Tiefe limitiert.

Wenn ihr euch erstmal vergewissern wollt, ob solche – zugegebenermaßen ziemlich teuren – Schuhe euch etwas bringen, dann probiert erstmal Kniebeugen mit dünnen Gewichtsscheiben unter den Fersen. So ähnlich wird es sich dann auch mit den Schuhen anfühlen. Wenn ihr mit den Scheiben unter den Fersen tiefer kommt, dann bestellt euch die Schuhe.

Das Kniebeugen mit den Gewichtheberschuhen ist nämlich wesentlich sicherer, als mit den Fersen auf Scheiben zu stehen. Das ist ziemlich wackelig und kann gerade bei viel Gewicht sehr gefährlich sein.

Ein weiterer Punkt, der wichtig ist um tiefer zu kommen, ist die richtige Schrittbreite zu finden. Ich persönlich komme z.B. maximal tief, wenn ich etwas breiter als Schulterbreit stehe und meine Fußspitzen ganz leicht nach außen drehe.

Sobald ich breiter stehe, schaffe ich es nicht mehr, die Knie in einer Linie mit den Fußspitzen zu halten und ich komme längst nicht mehr so tief runter. Viele kommen jedoch mit einer breiteren Schrittbreite tiefer. Die Herausforderung ist dann nur fast immer, die Knie nicht nach innen gehen zu lassen.

Probiert also einfach mal, bei welcher Schrittbreite ihr mit geradem Rücken am tiefsten kommt. Das ist dann eure Schrittbreite. Und wenn eure Knie dazu tendieren, nach innen zu gehen, achtet natürlich besonders darauf, die Knie immer etwas nach außen zu drücken.

Was übrigens auch bei der Kniesache helfen kann, ist wenn ihr euch beim Kniebeugen ein Widerstandsband um beide Knie wickelt, das eure Knie nach innen zieht. Dadurch müsst ihr nochmal mehr Kraft aufwenden, um die Knie nach außen zu drücken.

Wenn ihr das Band nach ein paar Wochen nicht mehr verwendet, werdet ihr sehen wie leicht es euch fallen wird, die Knie bei Sätzen ohne Band nicht nach innen gehen zu lassen.

Als letzten Tipp, um tiefer zu kommen, könnt ihr die Kniebeugen mal mehrere Wochen pausiert ausführen. Ihr geht so weit ihr könnt runter, pausiert in der untersten Position 2 Sekunden und geht dann wieder nach oben.

Der Ausdruck "pausieren" ist vielleicht etwas irreführend. Ihr sollt natürlich nicht in der "Pause" komplett die Spannung verlieren und euch 2 Sekunden lang ausruht. Ihr pausiert lediglich die Bewegung, spannt aber alle involvierten Muskeln – vor allem die Muskeln des Cores – weiterhin fest an.

Durch diese Pause verbringt ihr mehr Zeit in der für euch kritischsten und vermutlich unangenehmsten Position der Kniebeuge – nämlich in der untersten Position. Ihr übt also öfter bzw. länger das was euch am schwersten fällt. Das ist nicht angenehm, aber bringt euch schneller ans Ziel, bei der Kniebeuge tiefer zu kommen.

Fazit

Ihr solltet beim Kniebeugen so tief wie nur möglich gehen.

Das ist weniger gefährlich, stellt eine geringere Belastung für das Nervensystem dar, die Oberschenkelvorderseite wird genau so oder sogar mehr beansprucht als wenn ihr nur bis parallel geht, das Gesäß wird definitiv mehr beansprucht und ihr habt eine normierte Range of Motion (macht also keine Fake-Progression).

Wie schafft ihr es, tiefer zu gehen? Führt die Kniebeugen 2-3x pro Woche aus, trainiert sie mit 3 RIR oder lockerer, macht viele Aufwärmsätze, kauft euch evtl. Gewichtheberschuhe, findet die richtige Schrittbreite und führt die Kniebeugen eine Zeit lang pausiert aus.

Wenn Ihr Euer Training aufzeichnen, auswerten und optimieren wollt, ladet Euch hier die Alpha Progression App herunter.